by Marcus Vogeler, Marie von Hirschheydt | 27.01.2023
Auch das Verwaltungsgericht Düsseldorf musste sich mit Corona-Impfungen beschäftigen. Hierbei ging es jedoch um die Frage, ob ein wegen fehlender Impfung ausgesprochenes Tätigkeitsverbot gegen eine Mitarbeiterin in der Verwaltung einer Klinik rechtmäßig war. Die Stadt Duisburg hatte gegen die Frau per Ordnungsverfügung angeordnet, dass sie aufgrund des Fehlens einer Corona-Impfung nicht mehr als medizinisch-technische Assistentin im Bereich der Klinikverwaltung weiter tätig sein darf. Sie stützte das Verbot auf § 20a Abs. 5 S. 3 Infektionsschutzgesetz. Zweifel an dieser Regelung bestehen keine, das Bundesverfassungsgericht hatte bereits Ende April 2022 deren Verfassungsmäßigkeit bestätigt (Beschl. v. 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21). Im vorliegenden Fall sei das Tätigkeitsverbot jedoch trotzdem rechtswidrig gewesen, so die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die Frau hatte im Rahmen ihrer Tätigkeit keinen Patientenkontakt, sondern war allein im Bereich der Verwaltung als Schreibkraft bei einer Betriebsärztin eingesetzt. In der Entscheidung der Stadt sei eine Ermessensüberschreitung zu sehen: Die Frau fiel bereits aus Sicht der Stadt nicht unter den Tatbestand des § 20a Abs. 1 Nr. 1a IfSG, ein Tätigkeitsverbot könne aus diesem Grund auch nicht mehr auf § 20a Abs. 1 Nr. 1a IfSG gestützt werden, so das Gericht. Nachdem die Stadt dann vielmehr auf § 20a Abs. 1 Nr. 1h IfSG abstellt, sah das Gericht auch hierin eine Ermessenüberschreitung. § 20a Abs. 1 Nr. 1h IfSG begründe kein generelles Verbot für alle Tätigkeiten und Tätigkeitsorte einer Arztpraxis. Es gilt somit auch in diesem Zusammenhang klarer zu differenzieren und die Besonderheiten des Einzelfalls in einer solchen Entscheidung über ein mögliches Tätigkeitsverbot zu berücksichtigen.
VG Düsseldorf, Beschluss v. 29.09.2022 – 24 L 1818/22
by Marcus Vogeler, Marie von Hirschheydt | 27.01.2023
In ganz Deutschland sind mittlerweile erste Klagen gegen Pharmakonzerne wie AstraZeneca eingereicht worden. Grund hierfür sind Impfschäden. Die Verfahren sind noch in unterschiedlichen Stadien, am weitesten fortgeschritten ist der Prozess am LG Köln gegen den Pharmakonzern AstraZeneca. Der Kläger hatte im Nachklang seiner Impfung mit AstraZeneca eine Sinusvenenthrombose bekommen. Die Bildung einer Sinusvenenthrombose gehört zu den sehr seltenen Impf-Nachwirkungen, bei der das Blut in Folge der Impfung verklumpt, was zur Bildung eines Blutgerinnsel führt, welches sodann die Blutbahn verstopfen kann. Wenn ein solches Blutgerinnsel ins Gehirn wandert, kommt es zu einer Sinusvenenthrombose, welche schwerwiegende Folgen für den Patienten haben kann. Das Paul-Ehrlich-Institut beschreibt die Erkrankung „als schwerwiegende, in einen wenigen Fällen auch tödliche Nebenwirkung“ der beiden Vektorimpfstoffe AstraZeneca und Johnson & Johnson. Im vorliegenden Fall haben sowohl die Uniklinik Köln als auch die Universität Greifswald aufgrund Blutuntersuchungen bestätigt, dass die Impfung zum seltenen Impfschaden, der Sinusvenenthrombose, geführt hat. Diese Gutachten sind eindeutig und dürften somit entscheidend für den weiteren Prozess sein. Eine solch eindeutige Dokumentation ist jedoch die Ausnahme. Zumeist ist die medizinische Datenlage geringer, was auch im Hinblick auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Zukunft problematisch werden könnte. AstraZeneca lehnte einen außergerichtlichen Vergleich unter Verweis auf das „positive Risiko-Nutzen-Verhältnis“ ab. Das Risiko einer Sinusvenenthrombose sei bereits zum Zeitpunkt der Impfung bekannt gewesen, der schicksalshafte Eintritt dieses sehr seltenen Risikos begründe aus ihrer Sicht keine Schadensersatzpflicht. Das Gericht hat zunächst einen Gutachter beauftragt, der nunmehr zum einen die Kausalität zwischen Impfung und Erkrankung des Klägers als auch die Aufklärung hinsichtlich der Risiken beurteilen soll. Das weitere Vorgehen und die Entscheidung des Gerichts bleibt zunächst abzuwarten.
by Marcus Vogeler, Marie von Hirschheydt | 27.01.2023
Der Kläger machte gegenüber der Beklagten materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche aufgrund einer vom Kläger behaupteten ärztlichen Behandlung geltend.
Das Landgericht Dresden wies die Klage ab, woraufhin der Kläger Berufung einlegte. Dabei nahm der Kläger Bezug auf ein nach Erlass des angefochtenen Urteils eingeholtes Privatgutachten. Die Beklagte vertrag in diesem Zusammenhang die Ansicht, der Vortrag des Klägers – gestützt auf das nach Erlass eingeholte Privatgutachten – sei als verspätet anzusehen. Nun wies das OLG Dresden die Berufung zurück. Ob das auf das Privatgutachten gestützte Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren nur eine Präzisierung des erstinstanzlichen Vortrags darstelle oder als neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO anzusehen sei, entschied das OLG Dresden dabei nicht. Allerdings führte das OLG aus, dass selbst bei Annahme, es handele sich um „neues“ Vorbringen, zumindest keine Nachlässigkeit im Sinne des § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO vorliege. Zwar sei jede Partei gehalten, schon im ersten Rechtszug die Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen, deren Relevanz für den Rechtsstreit ihr bekannt ist oder bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt hätte bekannt sein müssen und zu deren Geltendmachung sie dort imstande sei, in einem Arzthaftungsprozess dürften an die Substantiierungspflicht des Patienten jedoch grds. nur maßvolle Anforderungen gestellt werden, was auch die Einwendungen gegen ein gerichtliches Gutachten umfasse. Es bestehe keine Pflicht, bereits in erster Instanz unter Zuhilfenahme eingeholter Privatgutachten oder anderweitigen sachverständigen Rat Einwendungen gegen ein Gerichtsgutachten zu erheben. Es ist dabei unschädlich, wenn das Privatgutachten durch einen Arzt erfolgt, der nicht über den entsprechenden Facharzttitel verfügt. Die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO seien bereits erfüllt, wenn der Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter eigene Recherchen betrieben, ein auf ein medizinisches Gutachten müsse demnach erstrecht den Voraussetzungen genügen – unabhängig davon, ob der Gutachter dem maßgeblichen Fachgebiet angehöre oder nicht.
OLG Dresden, Urteil vom 14.9.2021 – 4 U 1771/20
by Marcus Vogeler, Marie von Hirschheydt | 27.01.2023
Extrahiert ein Zahnarzt seinem Patienten ohne medizinische Indikation mehrere Zähne, begeht er die Körperverletzung mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB.
Im Mittelpunkt der vorliegenden Entscheidung stand die Frage, ob medizinische bzw. ärztliche Instrumente der Qualifikation der gefährlichen Körperverletzung unterfallen können. Das OLG Karlsruhe kommt zu diesem Ergebnis und stellt klar, dass auch bei medizinischen Instrumenten eine kritische Auseinandersetzung dahingehend erforderlich ist, ob der Gegenstand aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und der Verwendung im konkreten Fall dazu geeignet ist, dem Opfer erhebliche Verletzungen beizubringen. Zuvor hatte der BGH im Jahre 1987 entschieden, dass die im Rahmen einer zahnärztlichen Behandlung benutzte Zahnarztzange kein gefährliches Werkzeug im Sinne des damaligen § 223a StGB a.F. darstellte. Die Rechtslage hatte sich im Laufe der Zeit so weitreichend geändert, dass ein Festhalten an der damaligen Rechtsprechung nicht mehr zeitgemäß erschien, so wies die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend darauf hin, dass das gefährliche Werkzeug nunmehr nicht mehr als Beispiel für eine Waffe, sondern mittlerweile vielmehr die Waffe als ein Unterfall eines gefährlichen Werkzeugs anzusehen sei. Somit war eine neue Bewertung geboten, welche das OLG Karlsruhe nunmehr vorgenommen hat.
OLG Karlsruhe 16.03.2022 – 1 Ws 47/22
by Marcus Vogeler, Marie von Hirschheydt | 27.01.2023
Wie heißt es immer so schön: Der Arzt muss das Aufklärungsformular „individualisieren“. Nur dann könne der Beweis der ordnungsgemäßen Aufklärung gelingen. Dies ist zwar grundsätzlich richtig. Ein individualisierter Aufklärungsbogen ist allerdings nur ein Indiz dafür, dass ein Gespräch stattgefunden hat, beweist für sich genommen aber noch nicht, dass über die Inhalte – auch die handschriftlichen – gesprochen wurde.
Dies wurde noch einmal verdeutlich in einem Fall, den das LG München zu entscheiden hatte und in dem der Arzt die handschriftlichen Ergänzungen größtenteils vor dem geführten Aufklärungsgespräch vorgenommen hatte. Das LG führt hierzu aus: „Hat der aufklärende Arzt handschriftliche Eintragungen im Aufklärungsbogen schon vor dem Aufklärungsgespräch mit dem Patienten vorgenommen, so kommt den handschriftlichen Eintragungen keine Indizwirkung dahingehend zu, dass der aufklärende Arzt den Patienten über die spezifischen Risiken auch tatsächlich mündlich aufgeklärt hat. Ein vorab ergänztes Formular hat gegenüber einem Formularvordruck ohne handschriftliche Anmerkungen keinen wesentlichen Mehrwert.“
Kurzum: Handschriftliche Voreintragungen sind gleichbedeutend mit dem vorgedruckten Text. Beweiswert haben handschriftliche Ergänzungen nur dann, wenn sie parallel – sozusagen als „Gesprächsprotokoll“ – vorgenommen werden.
LG München II, Urt. v. 08.06.2021 – 1 O 2310/19